Brückenbau mit Herausforderungen
Die Thierschbrücke bildet seit jeher das Verbindungsstück zur westlichen Insel von Lindau. Durch die Bahnlinie war dieser Teil der Insel bisher sichtbar vom restlichen Stadtteil getrennt. Diese Barriere scheint durch die neue Thierschbrücke, die zwischen 2017 und 2019 entstand, nun optisch weitgehend vergessen. Als Teil dieses einzigartigen Projekts, übernahm i+R Bau als erfahrenes Tiefbauunternehmen die Bauausführung.
Die Aufgabenstellung und deren Herausforderungen
Die Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Projektes liegen auf der Hand: die innerstädtische Lage, die zu querenden Bahngleise und der Denkmalschutz. Denn die 50 m lange Thierschbrücke tangiert die historische Schanzenanlage aus dem 17. Jahrhundert. Diese Punkte bestimmten wesentlich die Planung, die durch das Ingenieurbüro Dr. Schütz, Kempten erfolgte, sowie die gesamte Bauausführung.
Die Bestandsbrücke, die 1901 erbaut wurde, wies bereits erhebliche Mängel auf. Gewichtsbegrenzungen und Fahrbahneinengungen waren die Folge. Das Erreichen des westlichen Inselteils war dadurch nicht mehr allen Fahrzeugen möglich.
Unter der Voraussetzung die Verkehrsverbindung auch während der Bauphase jederzeit zu gewährleisten, sollte ein Bauwerk entstehen, das Fahrzeugen aller Art eine Überfahrt möglich macht, einen breiten Gehweg bietet und aufgrund von Erweiterungen der Bahnstrecke um einen Meter angehoben wird.
Die Lösung
Bauwerksgestaltung
Das asymmetrische, obenliegende Tragwerk der Brücke entwickelt sich wellenförmig als Dreifeldträger. Der südliche Randträger als geschlossener Kastenträger lässt als flache Welle Ausblicke auf den Bahnhof zu. Der Mittelträger als ausgeprägte Welle nimmt augenscheinlich die Hauptlast des Bauwerkes auf. Der Gehweg ist als Kragträger an den Mittelträger angehängt. Die Widerlager der Brücke orientieren sich an der Bestandsstruktur der historischen Schanzenanlagen. Die Geländerausbildung ist auf maximale Transparenz zur Inszenierung der sanften Wellenform der Brücke konzipiert. Die Ausleuchtung erfolgt durch eine beidseitige indirekte Effektbeleuchtung im Obergurt des offenen Mittelträgers. In Verbindung mit zwei Mastleuchten vor und hinter der Brücke wird eine verkehrssichere und gleichzeitig optisch ansprechende Ausleuchtung erreicht.
Übergangskonstruktion
Während der gesamten Bauzeit wurde eine Behelfsbrücke eingerichtet. In einer der Wochenendsperrpausen, die mit der Deutschen Bahn abgestimmt wurden, erfolgte die Installation eines 80 m langen Ersatzbaus, der mit einer Fahrbahnbreite von 3,5 m und einem 1,5 m breiten Gehweg den gesamten Straßen- und Fußgängerverkehr aufrechterhielt. Die Behelfsbrücke bestand aus vorgefertigten Systemelementen und wurde mittels Kraneinsatz hergestellt und ebenso wieder rückgebaut.
Abbrucharbeiten
Der Abbruch der bestehenden Brücke, die aus einer Konstruktion aus genieteten Stahlträgern im Beton besteht, erfolgte ebenfalls innerhalb der Wochenendsperrpausen. Nach Erstellung eines Schutz- und Traggerüstes zwischen den vorhandenen Oberleitungen und der Bestandsbrücke wurde der Beton durch Meiseln mit mehreren Baggern von den Stahlträgern gelöst. Anschließend wurden die Stahlträger getrennt und ausgehoben.
Unterbauten
Nach Abschluss der Abbrucharbeiten erfolgte die Errichtung des Widerlagers in zwei Abschnitten. Der nördliche Flügel sowie die Treppenanlagen wurden erst nach dem Rückbau der Behelfsbrücke und der Umverlegung des Verkehrs auf den neuen Brückenteil ausgeführt. Auf der Westseite der Brücke wurde zur Weiterführung des Gehweges eine Kragplatte installiert wohingegen auf der östlichen Seite die vorher genannte Treppenanlage entstand.
Die neuen Pfeiler wurden ohne Arbeitsfuge hergestellt und die bestehenden Pfahlkopfplatten mittels verpresster Mikrobohrpfähle auf die volle Tragfähigkeit verstärkt. Die Qualität des Schalungsbaus und die Betonverarbeitung bei den Pfeilern mussten aufgrund der Geometrie und des hohen Bewehrungsgrades besondere Anforderungen erfüllen. Eine nahezu lunkerfreie Betonoberfläche wurde durch den Einsatz von Außen- und Innenrüttlern erreicht.
Überbau
Der vorgefertigte Stahlüberbau bestand aus sechs Teilen. Die Montagezeit auf der Baustelle wurde durch die Ausbildung nur eines Querstoßes und zwei Längsstößen erheblich verringert. Der auskragende Gehweg im westlichen Teil der Brücke wurde in drei Segmenten hergestellt. Noch vor Fertigstellung des Gehweges erfolgte die Umlegung des gesamten Verkehrs auf die neuen Brückenteile. Denn aufgrund der beengten Platzverhältnisse war der Rückbau der Behelfsbrücke nötig, um anschließend die Kragelemente des Gehweges einzuheben.
Bauzeit
- Baubeginn Behelfsbrücke: Juli 2017
- Abbruch Bestandsbrücke: bis Oktober 2017
- Fundamentherstellung: bis Ende 2017
- Fertigung Stahlbau und Herstellung Unterbau: Anfang 2018
- Montage der ersten Stahlbauteile: Mai 2018
- Verkehrsumlegung auf neuen Überbau: Dezember 2018
- Gesamtfertigstellung inklusive Montage der Gehwegelemente und Errichtung der angrenzenden Stützmauer: Juni 2019
- Gesamte Bauzeit: 24 Monate
Factbox zum Projekt Thierschbrücke, Lindau (D)
- Bauherr: Stadt Lindau am Bodensee | DB Netz AG, Augsburg (D)
- Entwurfsplanung: Dr. Schütz Ingenieure, Kempten (D) | Kolb Ripke Gesellschaft Architekten, Berlin (D) | Narr Rist Türk Landschaftsarchitekten, Marzling (D)
- Ausführungsplanung: Dr. Schütz Ingenieure, Kempten (D)
- Tragwerksplanung: Dr. Schütz Ingenieure, Kempten (D)
- Landschaftsplanung: Narr Rist Türk Landschaftsarchitekten, Marzling (D)
- Straßenplanung: Planungsbüro Bauen und Umwelt, Kempten (D)
- Prüfingenieur: Prof. Dr. Ing. Hertle, Gräfelfing (D)
- Bauausführung i+R Bau GmbH, Lauterach (A) | Raffl Stahlbau GmbH, Steinach (A)